Die große Romantisierung…

Wir sprechen hier nicht von Sushi-Liebe oder K-Pop-Fanfiction.

Ich meine diese ganz subtile Romantisierung, die viele (mich inklusive) betreiben, wenn sie über Japan oder Südkorea sprechen.

Alles wirkt irgendwie effizienter, respektvoller, hübscher designt. Der Service. Die Züge. Die Schilder. Die Seifenspender.

Es ist so leicht, sich da reinzusteigern.

Und bevor man es merkt, macht man aus einem Land eine Projektionsfläche.

Japan als das höflichere Deutschland. Tokyo als das coolere Berlin.

Man merkt es an Sätzen wie:

• „Die Menschen sind so respektvoll.“

• „Da ist alles so sauber.“

• „Ich fühl mich da einfach sicherer als hier.“

Sind viele dieser Beobachtungen berechtigt? Ja.

Sind sie komplett? Nein.

Denn während wir uns an der Oberfläche verlieben, sehen wir oft nicht, was darunterliegt: Arbeitskulturen, die Menschen ausbrennen. Schönheitsnormen, die Körper stumm machen. Strukturen, die Funktionieren belohnen, aber nicht unbedingt Widerspruch.

Und trotzdem will ich wieder hin. Immer wieder.

Wenn ich nach Japan fliege, ist es nie nur Urlaub.

Es ist auch so ein bisschen… Recherche.

Fürs Leben. Für mich. Für ein Gefühl von „So könnte’s auch gehen.“

Ich setz mich in den Zug (natürlich pünktlich), ess irgendein 7-Eleven-Ei, das besser schmeckt als ein Brunch in Berlin, und beobachte die Leute.

Und da ist sie wieder: Diese Mischung aus Distanz und Detailverliebtheit, die ich gleichzeitig bewundere und hinterfrage.

Denn das ist vielleicht die ehrlichere Reisehaltung:

Nicht nur das Fremde zu feiern, sondern das Eigene zu spiegeln.

Was ist das eigentlich, was ich hier suche?

Ist es wirklich Japan oder ist es Ruhe, Struktur, Ästhetik, die ich mir in meinem Alltag wünsche?

Ja, ich hab auch diese Fotos. Tempel. Laternen. Kirschblüten.

Aber ich hab auch die Momente, wo ich mich frage: Würde ich hier leben wollen?

Die Antwort ist jedes Mal: Nein. Aber ich will verstehen, warum ich darüber nachdenke.

Vielleicht ist es das, was mich immer wieder herzieht:

Nicht die Perfektion, sondern die Spannung zwischen Sehnsucht und Realität.

Und je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich:

Die Gefahr ist nicht, dass wir Länder wie Japan oder Südkorea romantisieren.

Die Gefahr ist, dass wir aufhören, uns selbst zu hinterfragen, warum wir es tun.

Ich flieg auch nächstes Jahr wieder hin.

Wahrscheinlich wieder mit zu vielen gespeicherten Orten auf Google Maps im Halbschlaf und mit zu vielen Kameras.

Ich werd wieder mit glänzenden Augen aus dem 7-Eleven kommen und mir eine dieser Gesichtsmasken kaufen, die nie was bringen.

Aber diesmal nehm ich mir was vor: Weniger vergleichen. Mehr einordnen.

Weniger „Warum ist man hier so höflich?“, mehr „Was sagt das über mein Bedürfnis nach Rücksicht aus?“

Denn echte Liebe heißt ja nicht: „Alles ist besser.“

Sondern: „Ich seh’s klar und komm trotzdem gern zurück.“

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Hat Papi wieder die USA Reise bezahlt?!